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Mercedes-Benz Vision Iconic?! Iconisch? Oder einfach nur ikonisch behauptet?

Mercedes-Benz Vision Iconic

Es gibt Momente, da stellt man alles in Frage! Zum Beispiel dann, wenn Hersteller ihre Produkte selbst als „ikonisch“ bezeichnen. Der neue Mercedes-Benz Vision Iconic ist so ein Fall. Das Showcar, gerade frisch in Shanghai enthüllt, trägt sein Selbstbewusstsein so offensiv zur Schau, dass man sich fragt: Ist das noch Understatement oder schon Marketing-Pathos auf Hochglanzlack?

Mercedes-Benz Vision Iconic Fotos

Wenn ein Auto sich selbst zum Denkmal erklärt

„Iconic“! Das ist ein großes Wort. Es riecht nach Ewigkeit, nach Bedeutung, nach etwas, das man nicht einfach beschließt, sondern sich verdienen muss. Doch Mercedes-Benz scheint es genau andersherum zu sehen. Man nennt ein Auto Iconic, damit es auch als solches wahrgenommen wird. Wie ein Künstler, der sein Werk „Meisterstück“ tauft, bevor es überhaupt fertig ist.

Dabei wäre das Showcar an sich beeindruckend genug. Eine Motorhaube, die scheinbar bis Shanghai reicht, ein Grill, der so stolz aufragt wie die Kühlerfiguren vergangener Zeiten, und ein Innenraum, der aussieht, als hätte jemand den 300 SL mit einem Art-Deco-Ballsaal gekreuzt. Das alles mit Hightech garniert: Solarlack, der Energie erzeugt, Neuromorphic Computing, das denkt wie ein Gehirn, und Steer-by-Wire, das ohne mechanische Verbindung lenkt.

Moment mal?! Solarlack?! DAS ist Iconic!

Der sogenannte Solarlack des Vision Iconic ist weit mehr als ein technischer Gimmick. Mercedes-Benz zeigt damit, dass selbst der Lack eines Autos künftig Energie liefern kann. Statt herkömmlicher Photovoltaik-Module nutzt der Solarlack eine hauchdünne (5 Mikrometer), flexible Beschichtung, die sich nahtlos über die gesamte Karosserie legt und Sonnenlicht in elektrische Energie umwandelt. Das Zusatzgewicht? Gerade einmal 50 Gramm pro Quadratmeter! Im Idealfall, so die Ingenieure, könnten so bis zu 12.000 Kilometer Reichweite pro Jahr allein aus der Kraft der Sonne gewonnen werden. Das klingt visionär und ist es auch. Denn der Lack kommt ohne seltene Erden und Silizium aus, lässt sich recyceln und fügt sich perfekt in das Design des Fahrzeugs ein. Kein klobiges Solardach, keine sichtbaren Zellen, sondern pure Eleganz mit technischer Substanz. Doch wie viel davon in Serie kommt, bleibt offen. Auch was es kosten wird. Vielleicht ist der Solarlack heute noch Showeffekt, aber wenn Mercedes ihn Realität werden lässt, könnte genau dieser Lack eines Tages wirklich ikonisch sein. Der Traum vom Elektrofahrzeug, dass sich während der Fahrt selbst auflädt ist noch nicht ausgeträumt!

Aber muss man dieses Kunstwerk wirklich Iconic nennen?

Mercedes-Benz spricht von einer „neuen ikonischen Ära“. Das klingt nach einer Zeitrechnung, die gleich hinter der Renaissance und knapp vor dem iPhone beginnt. Chief Designer Gorden Wagener sieht im Vision Iconic eine „Skulptur in Bewegung“. Und ja, optisch ist das Fahrzeug atemberaubend. Es verbeugt sich vor den 1930er Jahren, flirtet mit dem 300 SL und trägt seine chromglänzende Nase so stolz wie ein Pfau auf der Parade. Aber wer sich selbst „ikonisch“ nennt, läuft Gefahr, das Gegenteil zu erreichen. Denn Ikonen entstehen nicht im Marketing-Meeting. Sie entstehen im Rückspiegel der Zeit. Der 300 SL war nicht „ikonisch“, als er vorgestellt wurde, er wurde es, weil er Jahrzehnte später noch Bewunderung auslöste.

Schönheit mit Ansage

Natürlich: Der Vision Iconic ist keine bloße Designstudie. Er ist eine Botschaft. Mercedes-Benz will zeigen, dass Luxus, Technologie und Emotion kein Widerspruch sind. Der Solarlack, der Strom aus Sonnenlicht zieht, klingt nach Science Fiction, das „Neuromorphic Computing“ nach KI aus dem Elfenbeinturm, und der beleuchtete Grill ist nun ja, ein leuchtendes Symbol dafür, dass Status im Elektrozeitalter weiterhin funkeln darf.

Aber vielleicht ist das die eigentliche Ironie: Ein Auto, das Nachhaltigkeit, KI und Handwerkskunst vereinen will, trägt den Glanz vergangener Tage so offensiv zur Schau, dass man fast vergisst, dass es um die Zukunft geht.

Der Spagat zwischen Vergangenheit und Zukunft

Mercedes-Benz steht vor einer Gratwanderung. Auf der einen Seite das große Erbe, die riesigen Fuß- Verzeihung Reifenspuren. Wir denken an Chrom, Coupé, Chauffeur. Auf der anderen Seite die Zukunft: digital, elektrisch, autonom. Der Vision Iconic versucht, beides zu vereinen. Und vielleicht ist genau das sein ikonischster Moment: der Versuch, zwei Welten zu verbinden, die sich eigentlich widersprechen. Wobei wie groß ist im Jahr 2026 der Widerspruch wirklich?

Der Innenraum wirkt wie eine Zeitreise. Tiefblauer Samt, Perlmuttintarsien, Messingtürgriffe, alles so perfekt arrangiert, dass man fast das Gefühl bekommt, in einem Oldtimer der Zukunft zu sitzen. Nur dass der Chauffeur jetzt ein Algorithmus ist.

Mode, Buch und ein Hauch von Selbstinszenierung

Begleitet wird der Vision Iconic von einer Capsule Collection und einem Designbuch. Sechs Outfits, ein Manifest und jede Menge Fotokunst sollen die „New Iconic Era“ greifbar machen. Es ist ein Gesamtkunstwerk, irgendwo zwischen Haute Couture, Automobilpoesie und Corporate Identity. Aber je größer der Anspruch, desto leiser wird die Frage: Muss man sich wirklich selbst „ikonisch“ nennen, wenn man es ist? Oder wäre wahre Größe, einfach das Publikum entscheiden zu lassen? Passt diese Studie zur Corporate Identity und hat man sich Designtechnisch inzwischen verlaufen um nicht verrannt zu sagen?

Vielleicht lieber werden, statt sein?!

Der Vision Iconic ist unbestritten atemberaubend, faszinierend, aufwendig inszeniert. Aber ikonisch? Das entscheidet nicht die PR-Abteilung, sondern die Zeit! Genauer gesagt entscheiden all die Menschen, die sich Jahre später noch an ihn erinnern. Vielleicht ist das Showcar also weniger ein Denkmal, sondern eher ein Versprechen. Ein schönes, glänzendes, selbstbewusstes Versprechen auf eine Zukunft, in der Mercedes-Benz nicht nur Autos baut, sondern Geschichten erzählt. Und vielleicht, vielleicht, vielleicht, wird dieses Auto irgendwann wirklich eine Ikone. Aber bis dahin gilt: Wer sich selbst für legendär erklärt, hat den Test der Geschichte noch vor sich.

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